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Thema: Asphalt Blues (Jaouen Salaün)

  1. #1
    Mitglied Avatar von God_W.
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    Asphalt Blues (Jaouen Salaün)

    Was haben wir denn hier? Einen Midlife-Crisis-Öko-Thriller in Hochglanzoptik?



    Asphalt Blues



    Also manchmal gibt es ja so Comicbände, die sucht man sich gar nicht so direkt ganz bewusst aus, sondern man wird beinahe schon von denen ausgesucht. „Asphalt Blues“ war für mich so ein Band. Ich wildere immer mal über die Homepage von Schreiber & Leser, einfach weil es ein großartiger, enorm kundennaher Verlag ist, der stets hervorragende Qualität abliefert. Dazu gehört das S&L Magazin zu den wenigen „Werbeblättchen“, die ich regelmäßig komplett lese, denn da stecken oft wirklich interessante Infos drin.


    Bei einem dieser Ausflüge, entweder Homepage oder Magazin, sprang mir das Cover von Asphalt Blues ins Auge. Selbiges und der Titel haben mich direkt angesprochen, aber irgendwie hatte ich direkt das Gefühl, dass ich mich über den Inhalt nicht spoilern lassen möchte, weshalb ich den zugehörigen Text gar nicht erst gelesen habe. Dennoch landete der Band nicht ganz oben auf der Einkaufsliste, sondern eher so im Bereich „wenn er mir mal irgendwo günstig über den Weg läuft…“, immerhin wusste ich ja nicht was mich im Inneren erwarten würde (weil ich mich eben nicht informiert habe, was ich aber auch nicht wollte. Ich weiß, klingt komisch, ist aber so).

    Wie es der Zufall so wollte hatte ich einige Monate nach Erscheinen des Bandes ein kleineres Problemchen mit einer Lieferung von Schreiber & Leser. Wie immer wurde diese Kleinigkeit äußerst kundenfreundlich und zuvorkommend aus der Welt geschafft, doch aufgrund eines kleinen Versehens gab es dabei eine leichte Verzögerung. Absolut kein Problem, doch freundlich wie der Verlag nun mal ist durfte ich mir als „kleine“ Entschädigung für dieses wirklich nicht schlimme Missgeschick zusätzlich einen Band aus dem Verlagsprogramm aussuchen. So kam ich völlig unverhofft zu Jaouen Salaüns „Asphalt Blues“. Was genau ist jetzt also Thema bei diesem für mich etwas mysteriösen Comic?


    Der hübsche Mickael fährt in seinem futuristisch anmutenden Tesla durch die Morgendämmerung, als ein Anruf eingeht und seine recht enttäuscht wirkende Freundin Nina auf dem Bildschirm erscheint. Offensichtlich kam ihr Geliebter in der vergangenen Nacht nicht nach Hause und wie sich herausstellt schwebt da wohl schon länger ein Fremdgehverdacht über der Beziehung. Mickael hatte wohl schon früher Probleme mit Treue, nimmt alles zu leicht und sieht sich selbst als unwiderstehlich an. Aktuell denkt er wohl zu oft an die heißblütige Tänzerin Helen und diesmal ist das Maß für Nina voll, sie trennt sich von Mickael.

    Schon während dieses Intros hatte ich immer so ein unbestimmtes Gefühl, dass etwas nicht so ganz passt, was sich spätestens als Mickaels Wagen spontan die Farbe von knallrot zu tiefem blau wechselt bestätigt. Wie sich herausstellt befinden wir uns in einer nahen Zukunft, nach einem Zeitsprung um 13 Jahre im Jahr 2038, was bedeutet, dass unsere Geschichte 2025 begann. Ob spontaner Farbwechsel von Autos in zwei Jahren möglich sein wird? Wir werden es erleben, aber darum soll es jetzt nicht gehen. Wir springen wieder in die Leben von Nina, die sich zu einer erfolgreichen Modedesignerin entwickelt hat und mit einem hochbezahlten Manager verheiratet ist, und Mickael, der offensichtlich gesetzter und treuer geworden ist, denn noch immer ist die Tänzerin Helen an seiner Seite.


    Die Welt hungert derweil nach Energie, was mächtige Großkonzerne und korrupte Politiker für ihren Ausbau von Macht und Reichtum ausnutzen wollen. Idealisten und Verfechter grüner stehen dem entgegen, was sich aus der Not heraus sogar bis zu „Öko-Terrorismus“ auswächst. Wer von unseren Protagonisten sich da mit reinziehen lässt ist zwar spannend, aber dieser weltliche Wandel in Sachen Energie und Ökologie bietet lediglich die Kulisse und einen weit in den Hintergrund gerückten Rahmen für ein äußerst persönlich wirkendes Geflecht von Beziehungen, Lebenswegen, Wegfindungen nach Schicksalsschlägen, Neuerfindungen seiner selbst, wenn sich zur Lebensmitte rausstellt, dass man irgendwo falsch abgebogen ist und jetzt eigentlich Dinge tut, die man nie tun wollte. Ein Plädoyer für Treue und Aufopferung, aber auch für Wagemut. Den Mut Dinge zu ändern, auch jenseits der 40 Lenze nochmal neu anfangen zu können, das eigene Leben anzupacken und ändern zu können und ja, auch die Liebe stets neu zu entdecken – wenn es gut läuft, sogar mit dem langjährigen Partner. Die Entscheidung was am Ende passiert ist jedem selbst überlassen, und so wird der Fortgang der letzten Szene wohl von jedem entsprechend seines eigenen Lebensweges anders interpretiert und weitergesponnen werden. Mal wieder einer der Comics, über den ich auch nach Beendigung der Lektüre noch tagelang immer mal wieder nachgedacht habe.


    Ein echtes, ehrliches, tief emotionales und erwachsen wirkendes Werk in großartigen Bildern, welches Autor und Zeichner Jaouen Salaün hier abliefert. Ich bin zumeist nicht so der Fan von digitalen Zeichnungen, und hier gehe ich einfach davon aus, dass digital gearbeitet wurde, jedoch bin ich sowohl vom modernen und klaren Artwork selbst, als auch von der ausdrucksstarken Kolorierung nach einigen Eingewöhnungsseiten derart begeistert gewesen, dass ich gerne noch seeehr lange weitergelesen und betrachtet hätte.

    9/10

    VG, God_W.
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  2. #2
    Mitglied Avatar von Largo Beutlin
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    Die Graphic/Zeichnungen sind echt genial.


    Aber sorry, bei der Story sehe ich das anders. All das, was du erwähnst, wird ja de facto nur irgendwie angerissen. Die Story hat aber keinen“roten Faden“, der das alles zu einer wirklich interessanten Comic zusammenführt.
    Ich hab das Comic vor wenigen Wochen gelesen und hätte es schon fast wieder vergessen. Das ist kein gutes Zeichen.

    Ist was für Fans von schönen Bildern, wer eine gute Story sucht, ist mMn mit anderen Comics besser dran.
    Da empfehle ich bei Schreiber und Leser gerne alle Stories von Terry Moore.

  3. #3
    Mitglied Avatar von God_W.
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    Ich finde gerade, dass nicht jedes Detail der Beziehungen komplett fertig ausgearbeitet wird lässt viel Spielraum, um eigene Erfahrungen, Erlebnisse und Weggabelungen hineinzuinterpretieren, sich selbst in gewisser Weise wiederzufinden. Das finde ich enorm spannend und großartig. Den roten Faden sehe ich da schon recht deutlich, allerdings von einem Stück Entfernung aus, da lassen sich links und rechts von der Autobahn auch reichlich Nebenstraßen finden, auf denen man gedanklich parallel fahren kann, wenn man selbst vielleicht schon mal ähnliche Gedanken wie einer der Hauptcharaktere hatte, mit denen aber anders umgegangen ist, was mit hervorragend gefallen hat. Was tatsächlich nur im Hintergrund mitläuft und angerissen wird ist der Öko-Thriller, der ist im Grunde nur Staffage, um einen Rahmen zu bilden.
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  4. #4
    Mitglied Avatar von Largo Beutlin
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    What?

    Sei mir nicht böse, aber so kann man natürlich jede dünne Story auch schön reden. Die Möglichkeit einen angerissenen Erzählungsstrang durch eigene Gedanken, Erfahrungen oder nur durch die eigene Fantasie zu ergänzen, macht doch das Comic nicht gut. Da kann ich mich auch ohne Comic daheim hinsetzen und meinen Gedanken freien Lauf lassen.
    RIP im Splitter Verlag ist ein Bsp für eine gute Story, die „fertig“ erzählt wird und trotzdem zum Nachdenken über das „was hätte ich getan“ anregt.
    Und der ÖKö Plot in Asphalt Blues über die ach so bösen Energiekonzerne ist ja doch eher nur plakativ erzählt.

  5. #5
    Mitglied Avatar von God_W.
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    Ich bin Dir nicht böse, wir haben zu dem Comic (wie so oft) einfach nur deutlich unterschiedliche Ansichten, denn für mich funktioniert die Erzählweise großartig und ich finde die Story alles andere als dünn, ganz im Gegenteil. Nur wird die Tiefe halt nicht plakativ auf den Tisch gepackt und bis ins Letzte vorgekaut. Bei mir hat das emotional enorm gefunkt, weil ich mich in gleich mehreren der beschriebenen Situationen wiedergefunden habe. Kann gut sein, dass der Impact des Comics damit und mit dem grob passenden Alter steht und fällt. Wer sich noch nicht in vergleichbaren Situationen befunden hat und/oder ähnliche Schicksalsschläge hinnehmen musste findet da vielleicht nicht so den Zugang. Ebenso könnten Leser in den Zwanzigern oder jenseits der 60 nicht so den Zugang finden, weil bei den einen Erfahrungen fehlen und bei den anderen die Welt und der Umgang in zwischenmenschlichen Beziehungen noch ein anderer war.
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