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    Mitglied Avatar von Zardoz
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    Karolus Magnus von Jean-Claude Bartoll / Eon





    Band 1: Die vaskonische Geisel

    Nach Aufschlagen des Bandes fällt der Blick auf eine doppelseitige Landkarte. Bagdad im Westen, Paderborn im Süden, Barcelona im Osten. Im ersten Moment dachte ich an eine Alternativwelt. Es hat eine Weile gedauert, bis ich verstanden habe, was dort zu sehen ist. Spricht nicht gerade für meine Intelligenz. Wer aufmerksam liest, wird die Karte im Mittelteil des Buches (Seite 21) noch einmal entdecken. Vor ihr stehend erläutert der Kalif von Bagdad seinem Berater Marwan bin Al-Wisigotha seine ausgeklügelten Pläne. Es handelt sich um die Tabula Rogeriana, eine Weltkarte von Al-Idrisi aus dem Jahr 1154 n. Chr. (https://de.wikipedia.org/wiki/Al-Idrisi). Und? Fällt uns da etwas auf? Wann lebte Karl der Große, der titelgebende Regent dieses Bandes? O. K., ich wusste es auch nicht so genau. Wikipedia musste helfen (https://de.wikipedia.org/wiki/Karl_der_Große). Also: Der Sohn von Pippin dem Kurzen lebte von 747/748 bis 814 n. Chr. Da drängt sich natürlich die Frage förmlich auf, wie kommt der Abbaside al-Mahdi (https://de.wikipedia.org/wiki/Al-Mahdi), Zeitgenosse von Karolus Magnus, an eine Karte, die erst ein paar hundert Jahre später gezeichnet wurde?


    Worum geht es sonst so? Karl der Große langweilt sich in der Kaiserpfalz Paderborn. Er hat gerade die Sachsen startklar gemacht. Da taucht unerwartet Süleyman ibn al-Arabi in Begleitung von Marwan auf. Er ist Wali von Saragossa, so eine Art Vizekönig oder Provinzgouverneur. Er hat Zoff hat mit Abd ar-Rahman, dem Emir von Córdoba, dem Letzten seiner Art aus der Umayyaden-Dynastie. Weil er also um seinen Kopf fürchten muss, bietet er dem Frankenkönig einen Deal an, den dieser nicht abschlagen kann. Karolus, ganz geschichtsbewusster Herrscher, stellt ein Heer auf, packt genug Handtücher für die Liegen ein und los geht´s in den sonnigen Süden. Dumm nur, dass er durch die Pyrenäen muss. Da warten schon die querolatorischen Vaskonen. Dickköpfige Basken, die immer nur Ärger machen. Während die Täler schon zuvor weitgehend eingemeindet worden sind, hausen in den Bergen Freiheitskämpfer, die nur darauf warten, dass Karl sich mal persönlich blicken lässt. Und, soviel sei verraten, das sind keine Leute, die sich auf den Straßen festkleben, um den Weg zu blockieren.
    Wer mischt noch mit? So ziemlich alle CEOs der damaligen bekannten Welt. Der Kalif von Bagdad, der seinen Glaubenskollegen aus dem von ihm unabhängigen Emirat von Corduba so gar nicht mag und es lieber mit dem Christen Karolus hält. Der Papst Hadrian I in Rom, dem die christlichen Byzantiner im Nacken sitzen, und der es nicht gern sieht, dass Karl seine Zeit damit verschwendet, die Mauren zu verhauen. Darf man eigentlich noch Mauren sagen, oder ist man dann schon Rassist. Hmm. Einigen wir uns lieber auf Sarazenen. By the way. Ist der Feldzug von Karl eigentlich Kolonialismus oder vielleicht nur ein Versuch der kulturellen Aneignung? Darf man das überhaupt noch im Comic zeigen? Vielleicht sollte Splitter sich mal mit Disney beraten. Die wissen, wie man sachgerecht mit diesen Dingen umgeht. Aber ich schweife ab.


    Auf Arbeitsebene sind noch dabei:
    Die aus Sachsen stammende Brunhilde von Bruck, von Beruf Missi Dominici, also Königsbotin und so eine Art von Spion und im Nebenjob Titelanwärterin bei Germanys next Topmodell. Der äußerst reizende Anblick kann leicht den Blick dafür verstellen, dass man ihr keineswegs dumm kommen darf. Zusammen mit Karl und seiner aktuellen Lebensabschnittsgefährtin Verfechter*innen der freien Liebe. Schön, dass der Zeichner Eon auch uns ein Wenig daran teilhaben lässt.
    Oxtoa von Aspe und Irrube von Zuberoa, Mitglieder eines vaskonischen Ordens, Freiheitskämpfer oder Terroristen, je nach Standpunkt.
    Unser Protagonist Artza Dóssau, Sohn des von Karl besiegten vaskonischen Helden Herzog Lupus, nach guter alter Sitte dem Sieger als Geisel mitgegeben, wurde nicht im 5-Sterne-Palast einquartiert, sondern in einem Kloster, möchte (vielleicht auch deswegen?) zurück ins Baskenland. Er ist eher Idealist. Hat also eigentlich nicht das Zeug zum CEO, was daran liegen mag, dass er noch keine praktische Ausbildung zum Herrscher absolviert hat.
    Der Vetter von Karl, Roland, bekannt aus dem gleichnamigen, im Mittelalter sehr populären Lied.


    Angesichts der Vielzahl der Akteure fällt es manchmal schwer, den Überblick zu behalten. Wer, wie ich, den historischen Kontext nur oberflächlich kannte, wird zunächst einmal Mühe haben, in die Geschichte hineinzufinden. Eine kurze Einführung, in der die Akteure kurz vorgestellt werden und die Ausgangslage grob umrissen wird, wäre hilfreich gewesen. Aber ansonsten versteht es der Autor Jean-Claude Bartoll sehr spannend zu erzählen. Er hält sich nicht sklavisch an historische Fakten, sondern schmückt die Geschichte erzähllogisch mit Nebenfiguren so aus, dass es an Game of Thrones erinnert. Viele gegenläufige Interessen, teils undurchsichtige Motive, überraschende Wendungen.

    Und das Artwork? Am Anfang war ich enttäuscht. Die Actionszenen auf den ersten Seiten wirken doch recht statisch. Man merkt aber, dass Eon mit der Zeit immer besser in die Geschichte hineinfindet. Seine Stärken liegen für mich in dem Mittelaltersetting. Nicht immer realistisch, zum Teil sehr romantisierend, aber immer schön anzusehen. Dementsprechend zeichnet er auch die Frauen, egal sie auf dem Feld arbeiten, am Fluss Kleider waschen oder Dienerinnen beim Königshof sind. Alle sehen so aus, als wären sie direkt aus der Schminke gekommen, nämlich unglaublich gut.


    Fazit: Sehr kurzweilige Unterhaltung. Mir hat es gefallen. ich freue mich auf die Fortsetzung.
    Geändert von Zardoz (28.04.2023 um 18:12 Uhr)

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