Dafür, dass ich zuerst mit dem Kauf gehadert hatte, ist dieser Titel schnell zu einem meiner Favoriten im November geworden. Einmal natürlich der religiös motivierte Selbsthass, den ich bis jetzt nur von historischen BLs kannte und der hier super umgesetzt wurde.
Als ich die Bezeichnung "Frühes 20. Jahrhundert" und "Viktorianisches England" gelesen habe, dachte ich mir schon "Naaaaaaa, das ist das edwardianische Zeitalter, nicht das viktorianische!", aber die Geschichte spielt exakt im Jahr 1900 und ich dachte mir dann "Ja, okay, das letzte Jahr des viktorianischen Zeitalters, theoretisch hast du doch recht". Bei "viktorianisch" denkt man eigentlich an andere Sachen: Die Industrialisierung, die Bronte-Schwestern, Thomas Hardy, Charles Dickens, das Kolonialzeitalter - 1900 war schon wieder ein ganz anderes Klima. Aber das ist halt das Problem, wenn Monarchen so lange regieren - die ganze Zeit als ein Ganzes zu sehen, ist da kritisch.
Na ja, die Recherche und die Einbindung von englischer Literatur war jedenfalls phänomenal - toll, dass die Namen nicht einfach nur erwähnt werden, sondern mit Emily Bronte und Oscar Wilde auch Vergleiche zu der Situation der Charaktere geschaffen werden. Der Twist, dass Lady Alice Victor Frank ist, habe ich meilenweit kommen sehen, aber diese Vergleiche und die Hinweise an sich waren der Punkt, nicht die Auflösung an sich.
Edward ist auch ein großartiger Charakter - ein guter Mensch, aber auch nicht zu perfekt, indem er bereitwillig das Feld räumt. Seine aktuelle Motivation beruht zwar auf einem Missverständnis, wenn man so will, aber es ist klar, dass ein einfaches "Drüber reden" da nicht hilft - auch der Punkt wurde damit gut umgesetzt. (So gut, wie Pepperco Edward zeichnet, will ich gleich wieder einen BL-Spin-Off-Doujinshi... Verzeihung, meine Fantasie geht mit mir durch, ihr dürft mich schlagen...)
Angeschnitten wurde das Thema, das Alice als Frank Teil eines Literaturzirkels ist. Das erinnert mich selbstverständlich sofort an die Bloomsbury Group, auch wenn die etwas später aktiv war und an die uranische Poesie. Ansonsten The Well of Loneliness und Carmilla... Ich hoffe, wir lernen diesen Zirkel in Band 2 kennen!
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